Augenkontakt statt Notenblatt

Man geht ins Konzert, die Band spielt auswendig. Es wäre auch komisch, wenn sie die Noten vor sich hätten. Man besucht ein klassisches Konzert, die Musiker treten auf. Doch etwas ist anders als man es gewohnt ist – die Noten fehlen.

Der auswendige musikalische Vortrag durch einen Künstler, der als Solist die Bühne betritt, wird von den meisten Konzertbesuchern als etwas Normales und dennoch Bemerkenswertes angesehen. Aber eine ganze Sinfonie auswendig spielen? Dieser Plan klingt erst einmal unmachbar, denkt man an die vielen Seiten von Noten und zusätzlichen Informationen, die man im Kopf behalten müsste. Trotzdem wollen wir uns bei dem nächsten Projekt der Jungen Philharmonie Karlsruhe dieser vermeintlichen Herkulesaufgabe stellen und die 5. Sinfonie Beethovens auswendig spielen.

Sieht man sich einmal in der Musikwelt um, kommt man zu dem Ergebnis, dass wir damit auch nicht die ersten sind. Da wäre zum einen das britische Aurora Orchestra, das sich das Auswendig-spielen auf ihre künstlerische Tagesordnung geschrieben hat. Das STEGREIF.orchester schreibt zusätzlich bekannte Sinfonien auf andere Genres um und führt diese dann mit einer mitreißenden Bühnenpräsenz auf (übrigens auch ohne Dirigenten).

Aber warum bleibt man nicht einfach bei der gängigen Praxis von Noten zu spielen?

Der auswendige Vortrag macht den Musiker von den Noten unabhängig, damit er auf der Bühne freier agieren kann. So ist es möglich, dass man seine ganze Aufmerksamkeit der Gestaltung der Musik widmet, ohne diese ablesen zu müssen. Gerade Musiker, die noch nicht viel Erfahrung im Orchesterspiel besitzen, sind oft überfordert mit dem gleichzeitigen Blick in die Noten und zum Dirigenten. Damit geht viel verloren. Der Dirigent vermittelt in den meisten Fällen die wichtigen Information wie beispielsweise Dynamik oder Einsätze von Musikern und zeigt entscheidende Dinge für die Interpretation, die nicht in den Noten stehen. Wenn der Blick nicht am Notenblatt vor sich  anklebt, bekommt auch jeder Musiker diese Informationen mit und öffnet die Ohren für das, was um ihn herum passiert.

Das Spielen in einem Orchester wie dem der JuPhKa soll aber vor allem Spaß machen. Man schätzt die Energie des Kollektivs, man schaut sich an, man lächelt sich an, auch während des Spielens gibt es viel Kommunikation. Durch das Auswendigspielen kann dies nur noch verstärkt werden. Ganz nach dem Motto: Augenkontakt statt Notenblatt.

Dass man sich auf ein solches Projekt natürlich gut vorbereiten muss, ist klar. Bei einer Woche proben kann man nicht am ersten Tag anfangen zu lernen, die Sinfonie muss gut geübt mitgebracht werden, sodass es nur noch kleine Schritte sind, bis zum auswendig Spielen. Es ist sinnvoll die Sinfonie in ihre Abschnitte zu teilen und dann in kleinen Häppchen zu lernen. So wird jeder Abschnitt bewusst wahrgenommen, Phrasen werden klarer und man kann die Funktion eines jeden Teils kann genau unter die Lupe nehmen.

Erzwingen lässt sich der Erfolg aber nicht. Für den Fall, dass es für uns nicht schaffbar sein sollte, werden wir eine Kompromisslösung finden und schon der Versuch allein wird uns zu besseren Musikern gemacht haben.

Bilden Sie sich doch selbst eine Meinung darüber, wie wir diese Aufgabe gemeistert haben. Die Chance dazu haben Sie bei unseren Konzerten am 13. März in der Festhalle Liedolsheim in Dettenheim und am 14. März im Stephanssaal in Karlsruhe, jeweils um 19.30 Uhr.

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